Zum Vorkommen der Erdhummeln im Kreis Unna

Bestimmungsprobleme bei Erdhummeln

  H. Otten, H.-J. Pflaume

 

Hummeln gehören sicherlich zu den beliebten Insekten und werden auch von den meisten Laien als solche erkannt. Zwar gibt es im gesamten deutschsprachigen  Raum nur 46 Arten (von denen einige bereits verschollen sind), darunter sind aber auch einige sehr ähnliche  Arten, die nur schwierig voneinander zu unterscheiden sind. Außerdem sind manche Arten sehr variabel. Weil aber viele Arten nur ein sehr begrenztes Verbreitungsgebiet haben oder sehr selten sind, bleibt es im Kreis Unna nur bei einer überschaubaren Artenzahl.

 

Hier flogen 2018 noch die Dunkle Erdhummel (Bombus terrestris), die Helle Erdhummel (B. lucorum), die Wiesenhummel (B. pratorum), die Ackerhummel (B. pascuorum), die Steinhummel (B. lapidarius), die Gartenhummel (B. hortorum) und die Baumhummel (B. hypnorum).

 

Hinzu kommen die inzwischen zur gleichen Gattung gezählten Schmarotzerhummeln (früher Psithyrus). Sichere Arten sind bislang B. vestalis, B. bohemicus und B. rupestris. Häufig von allen genannten Arten sind  aber nur die Dunkle Erdhummel, die Wiesenhummel, die Ackerhummel, die Steinhummel und die Baumhummel.

 

Gesucht und möglicherweise verschollen oder übersehen sind die Feld-, Gras- und Waldhummel, die es – wie eine Sammlung des Kamener Gymnasiums belegt – noch Anfang des letzten Jahrhunderts hier gab.

 

Die Helle und die Dunkle Erdhummel gehören zum sogenannten Bombus terrestris-lucorum-Komplex, in dem sehr ähnliche Arten zusammengefasst werden. Dazu gehören in Deutschland vier Erdhummelarten; neben den Genannten noch die Große Erdhummel  (Bombus magnus) und die Kryptarum-Erdhummel (Bombus cryptarum).

 

Die gängige Bestimmungsliteratur (s. Literaturhinweis) empfiehlt die Feldbestimmung anhand  des gelben Kragenbandes (Collare) hinter dem Kopf der Tiere. Sollte dieser Streifen an beiden Seiten bündig mit dem Flügelansatz abschließen, so wären es eine Dunkle oder eine Helle Erdhummel. Ginge der Streifen bis 1,5 mm über den Flügelansatz hinaus, dann wäre es die Kryptarum Erdhummel und über 2 mm und darüber die Große Erdhummel. Es gibt aber auch Literaturstellen, die darauf hinweisen, dass dieses Merkmal zur genauen Bestimmung allein nicht ausreicht.

  

Collare (Kragenbinde) bei:

                  B. lucorum, B. terrestris                                          B. cryptarum                                                    B. magnus

 

                                                                                                                                                                     (Zeichnungen frei nach: Bertsch et al. (2004)

 

Auch im Kreis Unna werden regelmäßig alle drei Zeichnungstypen beobachtet. Das heißt, dass im Untersuchungs-gebiet möglicherweise auch die Kryptarum- und die Große Erdhummel fliegen.

 

Um die Problematik noch einmal zu verdeutlichen, kann man vielleicht folgende Textstellen zitieren:

 

1) “Die Färbung (der Großen Erdhummel) ähnelt der der Hellen und Dunklen Erdhummel, jedoch reicht die goldgelbe 

       Querbinde am kopfnahen Thorax an beiden Seiten etwa 2mm  über den Flügelansatz hinaus. Bei Heller und

       Dunkler Erdhummel  endet  sie genau am Flügelansatz.” (E. von Hagen: Hummeln)  

      Außerdem beschreibt er die Farbe der Binde bei der Dunklen Erdhummel als braungelb.

            

2) Zu Bombus terrestris: “Im Feld nicht von verwandten Bombusarten zu unterscheiden.”

     (Müller, Krebs, Amiet: Bienen) 

 

Dunkle Erdhummel 

(B. terrestris)

(Präparat)

 

Collare schließt mit dem Flügelansatz bündig ab, wie es für

B. terrestris angegeben wird.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Foto: H. Otten

Dunkle Erdhummel

(B. terrestris)

                                    

auf Nickender Distel (Carduus nutans)                                                         

 

 

 

 

 

                                   

Foto: H.-J. Pflaume 

Dunkle Erdhummel 

(B. terrestris)

 

auf Herzgespann (Leonurus cardiaca)                              

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

     

 

Foto: H.-J. Pflaume 

Diese Dunklen Erdhummeln auf beiden Fotos haben ein Kragenband, wie es E. von Hagen fürR die Große Erdhummel beschreibt.

 

Um hier Klarheit zu schaffen, entschlossen wir uns, Tiere aller drei Zeichnungstypen genetisch untersuchen zu lassen.

 

Mit Genehmigung der UNB/Unna sammelten die Verfasser nun in Lünen, Kamen-Methler und am Bahnhof Werne Arbeiterinnen des B. terrestris-lucorum-Komplexes. Die Sammlung wurde durch zahlreiche Totfunde aus dem Raum Datteln/Recklinghausen ergänzt. Arbeiterinnen aller drei Formen wurden zwecks genetischer Untersuchung (CO1-Code) an das Forschungsinstitut Alexander-König in Bonn gesandt. Hier wurden 29 Hummeln auf ihren genetischen Code untersucht und die Ergebnisse ergaben eindeutig, dass alle Tiere zweifelsfrei  Dunkle Erdhummeln sind, die lediglich an besagtem Flügelansatz farbvariabel sind, aber der gleichen Art angehören.

  

Sicher ist zwar, dass es sowohl die Kryptarum- als auch die Große Erdhummel als gute Arten in Deutschland gibt, aber zumindest bislang wurde im Kreis Unna kein Fund bestätigt. Sicher ist nun auch, dass eine Bestimmung nur  anhand der unterschiedlichen Kragenbänder der einzelnen vier infrage kommenden Arten unzulässig ist und zu Fehlern führt. Man sollte hier auch künftig mit den diversen Bestimmungsschlüsseln sehr vorsichtig umgehen. 

 

Unklar bleibt, warum bei unseren gesammelten Tieren keine Helle Erdhummel belegbar war. Das mag bei dieser geringen Zahl ein Zufall sein. Allerdings haben wir in letzter Zeit tatsächlich nur wenige Exemplare dieser Art – meist leicht erkennbare Männchen - gesehen. Möglicherweise ist sie inzwischen wirklich sehr selten geworden.

  

Bemerkungen zum Aussehen: 

Was die schwarz-weiß-gelbe Farbgebung bei der Gattung Bombus anbelangt, so sind folgende 17 Arten auffallend ähnlich gezeichnet:                             

 

Bombus (Psithyrus)

B. vestalis (Keusche Kuckuckshummel), B. bohemicus (Böhmische Kuckuckshummel), B. barbutellus (Bärtige Kuckuckshummel), B. sylvestris (Wald-Kuckuckshummel), B. campestris, B. norvegicus

Schmarotzer- oder Kuckuckshummel

(B. bohemicus)

 

 

Der Hauptwirt ist die Helle Erdhummel (B. lucorum).

 

 

 

 

 

 

 

Bombus 

B. argillaceus (Tonerdhummel)  (Österreich, Schweiz; selten!), B. jonellus (Heidehummel), B. semenoviellus (Baltische Hummel), B. hortorum (Gartenhummel), B. ruderatus (Feldhummel), B. subterraneus (Erdbauhummel), B. lucorum (Helle Erdhummel), B. terrestris (Dunkle Erdhummel), B. magnus (Große Erdhummel), B. kryptarum (Kryptarum Erdhummel), B. sporadicus (Skandinavien)

Gartenhummel (B. hortorum)

 

auf Rittersporn (D. elatium Hybride)

 

 

 

 

 

 

  

Ähnlich verhält es sich bei den 17 gelb-schwarz-rot oder nur schwarz-rot gefärbten Hummelarten.

 

Hierzu zählen: 

Bombus (Psithyrus)

B. rupestris (Felsen-Kuckuckshummel), B. quadricolor

 

Bombus

B. mendax (Trughummel), B. inexspectatus, B. pratorum (Wiesenhummel), B. soroensis (Distelhummel), B. wurflenii (Bergwaldhummel), B. monticola (Berglandhummel), B. haematurus (Ungarische Hummel), B. pyrenaeus (Pyrenäenhummel), B. sichellii (Höhenhummel), B. alpinus (Alpenhummel), B. pomorum (Obsthummel), B. lapidarius (Steinhummel), B. ruderarius (Grashummel), B. confusus (Samthummel), B. cullumanus (ausgestorben)

 

Steinhummel 

(B. lapidarius)

 

- brütende Königin im Nestbereich mit 

   Pollentöpfchen  (Geranium spp-Pollen) sowie

   Nektartöpfchen und geschlüpfter F1-Generation.

 

 

 

 

 

 

 

Wiesenhummel

(B. pratorum)

 

Männchen, auf Geranium spp.

 

 

 

 

 

 

 

 

Warum sind diese Arten so ähnlich gezeichnet?

 

Beweise gibt es hierfür noch nicht, aber eine vertretbare Hypothese. Nicht nur Funde aus baltischem Bernstein belegen, dass es Hummeln schon lange vor den letzten 4 Eiszeiten (Günz, Mindel, Riss und Würm; pleistozäne Kaltphase von etwa 110.000 bis vor 12- bis 10.0000 Jahren) in Mitteleuropa gab.

 

Durch die von Nord nach Süd vorrückenden Eismassen wurden beide Stammarten in geschütztere Lagen und Regionen (Wärmeinseln) verdrängt, aber aufgesplittert. In diesem Zeitraum entwickelten sich die relativ kälte-unempfindlichen Insekten jedoch weiter. Bombusarten ertragen im Winterschlaf bis zu – 15°C., da sie Glycerol produzieren können, was wir ja als Frostschutzmittel in die Autokühler füllen.

 

Ab Temperaturen von nur + 4°C. verrichten Hummeln bereits Bestäuberdienste und sammeln Nahrung. Die Honigbiene tut dies erst ab + 11°C.

 

Während der Eiszeiten hatten die oben erwähnten aufgesplitterten Gruppen nun über 100.000 Jahre Zeit – je nach den örtlichen Gegebenheiten – sich zuerst in weitere Farbvarietäten aufzuteilen und anzupassen und sich letztlich zu guten Arten zu entwickeln, wie wir sie heute kennen.

 

 

Literatur: 

1)    Hagen, E. von (1986): Hummeln - bestimmen, ansiedeln, vermehren, schützen;  JNN- Naturführer . Neumann-

        Neudamm, Melsungen

2)    Müller,A.; Krebs,A.; Amiet,F. (1997): Bienen. Mitteleuropäische Gattungen, Lebensweise, Beobachtung.

        Naturbuch-Verlag, München

3)    Amiet, Felix; Krebs, Albert (2014); Bienen Mitteleuropas – Gattungen, Lebensweise, Beobachtung

4)    www. Wildbienen. de

5)    Gokcezade, Gereben-Krenn, Neumayer (2017): Feldbestimmungsschlüssel für die Hummeln Deutschlands,

        Österreichs und der Schweiz

6)    https://dez.pensoft.net/article/4786/ 

7)    Seger, Dr. Juliane; Witte, Prof. Günter-R. (1999), Westarp: Hummeln brauchen blühendes Land 

8)    Bock, Erwin; NFG-Unna (2011): Hummeln im Kreis Unna - Wildbienen im bunten Pelz